Neues aus Peckeloh
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Alle Wege führen zum Abendbrot

Heitere, spannende und nachdenkliche Geschichten rund um den Abendbrottisch: WILTMANN und VITAL ehren die Preisträger des neunten Schreibwettbewerbs.

Auch 2021 haben wir gemeinsam mit der Zeitschrift VITAL wieder zu einem Literaturwettbewerb aufgerufen – zum inzwischen neunten Mal in Folge. In diesem Jahr war die Kreativität der Teilnehmer besonders gefragt. Anstatt einen Text zu einem vorgegebenen Titel zu verfassen, galt es, eine Geschichte rund um das Foto eines gedeckten Abendbrottisches und die um den Tisch versammelten Personen zu entspinnen. Zahlreiche Hobby-Autorinnen und -Autoren aus dem deutschsprachigen Raum ließen ihrer Fantasie freien Lauf und reichten ihre Texte ein.

Ob humorvoll oder ernst, ob gepflegtes Tischgespräch oder handfeste Kriminalgeschichte – das Spektrum der eingesandten Beiträge war so vielfältig wie kreativ. Die Jury, bestehend aus Dr. Inga Ingold, WILTMANN-Gesellschafterin und Literaturwissenschaftlerin, und Carolin Streck, Chefredakteurin der VITAL, hatte die anspruchsvolle Aufgabe die zehn besten Texte aus allen Einsendungen auszuwählen. Mit dem ersten Platz wurden in diesem Jahr gleich zwei Beiträge ausgezeichnet: „Alle Wege führen zum Abendbrot“ von Gaby Raths sowie „Sonnenwende“ von Bettina Schneider überzeugten die Jury gleichermaßen und landeten gemeinsam ganz oben auf dem Siegertreppchen. Sabine Klemm-Schmidt belegte mit „Der Schein" Platz drei.

Leider musste auch 2021 die für den November geplante feierliche Preisverleihung in der Hamburger Heine-Villa aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie abgesagt werden. Stattdessen werden die Preisträgerinnen und Preisträger wieder kontaktlos geehrt: Die Gewinne und die Urkunden haben wir im Vorfeld auf dem Postweg zugestellt. Für die Plätze 1 bis 3 gab es als besondere Auszeichnung je eines der limitierten Steinguss-Objekte des Künstlers Otmar Alt – eine Trophäe in Form einer farbenfrohen Wurstblume. Die Plätze 4 bis 10 erhielten eine von Alt gestaltete Wurst-Uhr. Anstatt die Gewinnertexte persönlich in Hamburg vorzutragen, haben die Preisträgerinnen und Preisträger ihre Beiträge als Podcast aufgenommen. Auch die Jury hat ihre Grußworte und die Einführung in das Thema eingesprochen. Sie möchten wissen, welche Beiträge die Jury 2021 am meisten überzeugt haben? Klicken Sie einfach auf einen der nachfolgenden Links und lauschen Sie den Geschichten unserer Autorinnen und Autoren. Wir wünschen viel Vergnügen!

Carolin Streck (Jury), Begrüßung

Dr. Inga Ingold (Jury), Einführung

Platz 1: Gaby Raths, Alle Wege führen zum Abendbrot

Mittelpunkt der Geschichte von Gaby Raths „Alle Wege führen zum Abendbrot“ ist ein deutsch-französisches Abendessen in dem neu gemieteten, abgelegenen Ferienhaus von Michaela und Stefan in der Camargue, dessen isolierte Lage Tochter Marie das Binge-Watching erschweren soll. Der Weg dorthin wird auf einnehmende und humorvolle Art aus der Perspektive jedes der fünf Teilnehmer geschildert und dient gleichzeitig ihrer Charakterisierung. Der 5. Mann ist Jean-Louis, ehemaliger französischer Nachbar des Feriendomizils an der Côte d’Azur. Mit dem Überfall auf ihn und Madeleine, der französischen Freundin Michaelas, mutiert die Erzählung zum Krimi. Zwei französische Polizisten eilen zu Hilfe, bevor es dann – zu siebt – zu einem harmonischen Abendbrot mit deutschen Wurstspezialitäten, französischem Blauschimmelkäse, frischem Baguette, einer selbstgebackenen Quiche mit Speck und Rotwein kommt. Deutsch-französische Tafelkultur, kombiniert mit anregenden Gesprächen, wird „at its best“ zelebriert. Auch die Coronaproblematik wird dezent eingebaut.

Platz 1: Bettina Schneider, Sonnenwende

In Bettina Schneiders Erzählung „Sonnenwende“ haben wir es mit der aus dem Realismus stammenden Gattung des angeregten Tischgesprächs mit gepflegter Tafelkultur (weißem Tischtuch, Stoffservietten, Blumendekoration, Kerzen etc.) zu tun. Das rituelle jährliche Treffen der vier Erwachsenen am Mittsommernachtstag wird aus der Perspektive der Tochter Marie geschildert, die die Freunde ihrer Eltern, die umtriebige Madeleine und den erfolgreichen Künstler Paul bewundert, da sie Lebenslust, Savoir vivre und die große Welt verkörpern – im Gegensatz zu ihren Eltern, Michaela, Ärztin im Gesundheitsamt, und Stefan, Inhaber eines Delikatessengeschäfts, die sie als „deutsche Eichen“ und Spießer empfindet. Nach lebhaftem Austausch von Neuigkeiten erfährt die Geschichte zwei spannungsreich aufgebaute Wendungen, die Standarderwartungen durchbrechen, geheime Wünsche enttarnen und überraschende Lösungen für die Zukunft eröffnen.

Platz 3: Sabine Klemm-Schmidt, Der Schein

Sabine Klemm-Schmidts Beitrag „Der Schein“ gehört zu den wenigen Krimis unseres Wettbewerbs. Er wird aus der Perspektive der Tochter Marie, aber in der dritten Person geschildert. Der Schluss wird der Erzählung vorausgeschickt, beeinträchtigt aber nicht die sich langsam aufbauende Spannung. Marie lernt auf ihren täglichen Busfahrten eine alte Dame, die fünfte Person dieser Geschichte, kennen, die mehr und mehr ihr Vertrauen gewinnt. Die ehemalige Lehrerin erteilt ihr bald Nachhilfeunterricht in Englisch. Nach einem Wasserschaden in der Wohnung über ihr bieten ihr Maries Eltern Michaela und Stefan an, vorübergehend in ihrer Einliegerwohnung im Keller zu wohnen. Als ihr dann noch ihr gesamtes Erspartes auf dem Friedhof gestohlen wird, bietet die empathische und hilfsbereite Familie der sogenannten „Oma Liese“ an, dauerhaft an ihrem Leben teilzunehmen. Der Wendepunkt tritt ein, als während des Besuchs von Michaelas Freundin Madeleine der Stromzähler in Oma Lieses Wohnung gewechselt wird… Eine makabre Lösung voll schwarzem Humor erfolgt während des gemeinsamen Abendessens.

Platz 4: Kerstin Steinkamp, Bon Temps

Die Familie Essen – Metzgereibesitzer und Feinkosthändler Stefan, die Gynäkologin Michaela und deren Tochter Marie, kurz vor dem Abitur und Binge-Watcherin – trifft in ihrem Ferienhaus in Carnon, Südfrankreich ein. Die Eltern Stefans hatten es vor langer Zeit gekauft und dort jeden Sommer mit Stefan und seiner 16 Jahre älteren Schwester Karin (5. Person) eine herrliche Zeit verbracht. In diesem Jahr fehlt Karin, die verkündet hatte, auf Weltreise zu sein. Als 4. Person kommt zum ersten Abendessen des Urlaubs Madeleine hinzu, die Freundin Karins aus Montpellier. Alle vier Personen hatten eine besondere vertrauensvolle Beziehung zu Karin – wie der allwissende Erzähler dem Leser erklärt. Stefan hat den Auftrag, einen Brief Karins vorzulesen, in dem sie allen Anwesenden ihre Wertschätzung und Liebe und Ratschläge für die Zukunft offenbart, der aber erst nach ihrem Tod geöffnet werden darf. So mutiert das lockere Begrüßungsessen zu einer feierlichen Gedenk- und Trauerfeier voll dankbarer Erinnerungen der vier Anwesenden an die Verstorbene – im Gegensatz zu der Geschichte von Johannes Koch „Eiskalt (ab)serviert“.

Platz 5: Ulrike Eckhardt, Alle Wege…

Martin (eigentlich Stefan, erfolgreicher Besitzer eines Delikatessengeschäfts), seine Frau Michaela (Hautärztin) und Marie (Vegetarierin, Binge-Watcherin oder negativ formuliert „Komaglotzerin“ kurz vorm Abitur) wohnen in einem Haus im Taunus in idyllischer Hügellandschaft und mit Blick auf die Skyline von Frankfurt mit dem verwitweten Vater von Michaela, Karl (5. Person). Zu Gast ist Michaelas Freundin Madeleine (4. Person). Beim Essenstisch beschließt Michaela im Laufe der Unterhaltung, ihren Surfurlaub in Portugal zu stornieren und stattdessen mit der ganzen Familie (und eventuell Madeleine und einer Freundin Maries) nach St. Peter-Ording zum Strandsegeln (Martin), Kite-Surfen (Marie), Wattwandern (Karl und Marie) und Surfen (Michaela) zu fahren, um das Gemeinschaftsgefühl in der Familie wieder zu stärken. Dem Großvater Karl wäre es noch lieber, wenn beim Abendessen und im Urlaub ausschließlich Familienmitglieder und nicht Freunde oder Geschäftspartner zugegen wären. Wie bei den Tischgesprächen des Realismus wird der Qualität des Abendbrots keine große Beachtung geschenkt. Der gemeinsam geplante Urlaub in St. Peter-Ording stellt sozusagen ein erweitertes Abendessen dar, bei dem die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden und die Kommunikation untereinander und weniger Einzelaktionen im Vordergrund stehen.

Platz 6: Johannes Koch, Eiskalt (ab)serviert

Nach dem Tod von Michaelas Tante Lissy und der Lockerung der Coronabeschränkungen hat sich der Neffe von Lissys schon zehn Jahre zuvor verstorbenem Lebens- und Geschäftspartner Gelato Gino (!) zum Abendessen angesagt. Die Familie plant als Gedenkfeier für die Tante bzw. Großtante ein Revival des Grün‘schen Abendessens ganz nach dem Ritual von Elisabeth Grün bzw. Elisabeth Verde, wie Lissy sich in Italien nannte. Bei diesem „Leichenschmaus“ soll streng auf Etikette und Form geachtet werden: mit den Initialen versehene Tischdecke, exakt gefaltete Stoffservietten, pünktliches Erscheinen der Teilnehmer, Vollzähligkeit der Familie, qualitativ hochwertiges kaltes Essen und hervorragender Wein. Massimo Pirlo (5. Person), der Neffe von Gelato Gino, bringt aber mit entsprechender italienischer Dramatik schlechte Nachrichten mit: er, der letzte Liebhaber Lissys und Geschäftsführer des Eisunternehmens, und Michaela, das Patenkind Lissys, sollen nichts erben, sondern ein Tierheim…

Platz 7: Verena Kaster, Ein stilles Versprechen

In Verena Kasters Geschichte „Ein stilles Versprechen“ wird aus der Perspektive der 5. Person der Abendbrotrunde, Sarah, erzählt, die gerade leicht traumatisiert von einem humanitären Einsatz aus Syrien zurückgekommen ist. Als Kontrast zu ihrem Leben in Syrien genießt sie dieses idyllische Abendessen mit Freunden in der Heimat ganz besonders (samt Schneeflocken vs. Hitze in Syrien). Wir haben es hier mit der Kategorie des gepflegten Tischgesprächs zu tun, aber mit der modernen Variante der Diskussion von Problemen und dem Versuch einer Lösung. Das Abendessen voller Überfülle erscheint Sarah als Idylle, unbeschwertes Leben und Schlaraffenland – kontrastiert mit Hunger, Not und Krieg in Syrien – und evoziert ein Gefühl von Geborgenheit und Heimat. Fähigkeit zur Empathie, konstruktive Gespräche, Geselligkeit und ein daraus resultierendes Gemeinschaftsgefühl stehen im Vordergrund, nicht so sehr das Essen.

Platz 8: Ute Körner, Tischlein deck Dich

In der Erzählung von Ute Körner haben wir es mit einer originellen Abwandlung der Kategorie Tafelkultur und Tischgespräch des Realismus bzw. dem Zelebrieren von Gastlichkeit und angeregter Konversation im heutigen bürgerlichen Milieu zu tun. Die Familie, i.e. Stefan (Delikatessenhändler), seine Frau Michaela (Ärztin), Tochter Marie, und Michaelas Freundin Madeleine versammeln sich am von Stefan sorgfältig gedeckten Tisch voller Köstlichkeiten und origineller Wurstsorten zum rituellen gemeinsamen Abendessen. Die Familie führt ein offenes Haus und ist an Überraschungsgäste aus dem Freundes- und Bekanntenkreis gewöhnt. So wundert sich auch niemand über die 5. Person am Tisch. Erst gegen Ende des Essens stellt sich dann heraus, dass niemand die 5. Person namens Anna kennt…

Platz 9: Rosemarie Hinsch, Ein Abend unter Freunden

Die 5. Person, der Ich-Erzähler Andreas, macht auf einer Geschäftsreise Station in seiner Heimatstadt, um seine heimliche Geliebte zu treffen. Da Michaela einen Heißhunger auf Hähnchen in Aspik verspürt, trifft er zufällig seinen Klassenkameraden Stefan in dessen Delikatessengeschäft. Dieser lädt ihn für den nächsten Abend zu sich nach Hause ein, um ihm seine Familie vorzustellen. Zu seinem Entsetzen entpuppt sich Michaela als Stefans Ehefrau (1. Wendepunkt). Zu seiner Verwunderung scheinen Stefan und Michaela eine offene Beziehung zu führen und so outet sich Andreas als Michaelas Geliebter (2. Wendepunkt) und Madeleine bringt einen Toast auf die Fleischeslust aus. Am nächsten Morgen fragt sich Andreas, ob er alles nur geträumt hat… Wir haben es hier im Sinne Tanja Rudtkes (Kulinarische Lektüren: Vom Essen und Trinken in der Literatur, Bielefeld 2014) mit einer Mischform der festlichen Tafelkultur und des gepflegten Tischgesprächs des Realismus à la Fontanes „Frau Jenny Treibel“ und des barocken Schauessens zu tun, da hier die Qualität des Essens besonders gepriesen wird und einem das Wasser im Munde zusammenläuft.

Platz 10: Monika Hartjes, Der Gast mit der Senftube

Die Familie trifft sich mit der Freundin der Mutter aus Montpellier zum Abendessen, der einzigen gemeinsamen Mahlzeit des Tages, zu Hause. Als alle miteinander streiten und die Stimmung auf dem Tiefpunkt ist, taucht aus dem Nichts eine Märchen- oder Fantasy-Figur auf dem 5. Stuhl auf: Prof. Dr. Senf, der – nomen est omen – zur Lage jedes Einzelnen seinen Senf dazugibt und so eine zielführende Diskussion auslöst, die dann zu einer für alle akzeptablen Lösung führt. Wir haben es mit einer Art modernem Märchen zu tun, das in seiner „märchenüblichen“ Mischung aus Realität und Fantastik zum „Happy End“ führt. Der Mangel an Nahrung wird in den modernen Märchen weniger thematisiert (auch nicht in dem Märchen von Kerstin Elsässer „Mariechen“ mit der Schlussszene des üppig gedeckten Abendbrottisches). Die Coronaproblematik ist hier besonders gut eingearbeitet: die Tochter Marie fühlt sich vom Homeschooling zu Corona-Zeiten überfordert und flüchtet sich ins Binge-Watching („Glotzmarathon“), ihre Mutter, die Ärztin Michaela, leidet unter der enormen beruflichen Inanspruchnahme auf der Intensivstation und auch der Vater, Stefan, ist zu Corona-Zeiten mehr gestresst als sonst.

 

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